Samstag, 26. August 2017

Wie geht man mit einem MCS-Kranken um?

Die meisten Angehörigen oder Bekannten von MCS-Erkrankten stellen sich wohl diese Frage: "Wie soll ich mit dem Betroffenen umgehen? Was soll ich tun?"

Die Frage ist einfach zu beantworten: unbedingte Rücksichtnahme ist das, was nicht nur notwendig ist, sondern auch hilft.

Jeder MCS-Kranke hat Regeln, an die nicht nur er sich strikt halten muss, sondern auch seine Umwelt, wenn sie Wert auf den Menschen legt. Vor dem Besuch bei einem MCS-Erkrankten sollte man sich darauf vorbereiten, das man sich auf den Menschen einstellen muss. Es gibt einfache Merkregeln, die auf jeden Schweregrad der MCS zutreffen.

Ich unterteile hier in die Themen des Besuchs bei einem MCS-Erkrankten und der Hilfe bei Arzt- und Behördenbesuchen.


Besuche (zu Hause):

➤ Straßenklamotten und Wohnungskleidung trennen: Straßenklamotten haben im Wohnbereich eines MCS-Kranken nichts zu suchen! Die Kleidung muss getrennt aufbewahrt werden, oftmals in seperaten Räumen oder Behältnissen (Kisten oder Säcken, die man fast luftdicht verschließen kann). Auch eine Phrase wie "das habe ich doch nur gerade fünf Minuten zum Müll rausbringen angehabt" zieht nicht! An der Straßenkleidung haften Spuren von Umweltgiften, Abgasen, Duftstoffen, Schimmel etc. Geringste Spuren davon mit in die Wohnräume bringen, können einen MCS-Kranken tage- oder wochenlang außer Gefecht setzen und schlimmste Symptome hervorrufen!

  Übrigens werden viele MCS-Erkrankte darum bitten, bei ihnen vor dem Umziehen duschen zu gehen! Dieses Angebot sollte man annehmen, denn die Stoffe, denen man ausgesetzt ist, während man auf dem Weg zum Besuch war, lagern sich oft hartnäckig auf der Haut ab - trotz Kleidung! Stark betroffen sind alle freiliegenden Stellen des Körpers: Haare, Gesicht, Hals, Hände. Je mehr man abdeckt, desto geringer die Ablagerungen.

➤ Kein Leder: Leder muss meist imprägniert werden. Die Chemikalien, die in Imprägnierungsmitteln enthalten sind können lebensbedrohliche Reaktionen auslösen! Leder hat auf jeden Fall vor der Wohnungstür zu bleiben. Auch Wildleder ist ein no-go, denn alle Lederarten werden mit Chemikalien behandelt, um sie weich zu halten.


➤ Keine parfümierten oder mit ätherischen Ölen angereicherten Produkte verwenden: in allen gängigen und auch sogenannten "biologischen" Hygieneprodukten (Shampoo, Seife, Duschgel, Deo, Rasierschaum und -Wasser, Parfüm, Kosmetik - vom Eyeliner zum Wangenrouge -, Lippenpflegestiften, Hand- und Pflegecremes etc.) sind hunderte von Zusätzen enthalten. Die Kombination dieser Stoffe kann lebensbedrohliche Symptome auslösen! Eine einfach Handcreme aufgetragen kann einen MCS-Kranken ins Krankenhaus bringen. Shampoo mit Kokosnuss-Geruch kann zum anaphylaktischen Schock führen! (etc. das führe ich jetzt nicht extra alles auf, es sollte klar sein, worauf ich hinaus will)

  Vor einem Besuch mit einem Erkrankten also auf alle gewohnheitsmäßig angewandten Produkte verzichten! Am besten (bei sehr schwerer MCS des Betroffenen) schon eine Woche vorher alles weglassen, die Haut nur mit Wasser reinigen. Ebenso natürlich auch einige Tage vorher auf Zahncreme und Zahnseide verzichten!

➤ Keine Waschmittel und Weichspüler: vor einem Besuch die Waschmaschine mehrmals (leer) auf 95° durchlaufen lassen. Danach die Kleidung, die getragen werden soll, mit Backpulver (manche MCS-Kranken reagieren extrem auf Essig) durchwaschen - am besten 10-15 Mal, um jegliche Spuren der bisher verwendeten Waschmittel rauszuspülen. Darauf achten: nur Baumwolle tragen! Stoffe, die rein synthetisch sind oder synthetische Anteile besitzen speichern Waschmittel und Weichspüler in den kleinsten Fasern! Diese rauszuwaschen ist nahezu unmöglich.

  Keine neue Kleidung tragen! Für einen Besuch bei einem MCS-Erkrankten nicht extra Kleidung kaufen, diese einige Male durchwaschen und meinen, damit ist es getan. Kleidung ist generell vorbehandelt!
  Meistens haben MCS-Erkrankte seperate Besucher-Kleidung, die sie anbieten. Diese sollte in Anspruch genommen werden! Dennoch gelten o. g. Regeln, denn in den meisten Fällen muss zuvor die Wohnung betreten werden, um sich umziehen zu können. Allein hierbei können sich die in den Fasern enthaltenen Dufstoffe/Chemikalien verbreiten und schlimmste Symptome auslösen!

➤ Keine Nahrung zu sich nehmen, die riecht: vor einem Besuch unbedingt auf Lebensmittel mit ätherischen Ölen verzichten (z. B. frische Kräuter), keine scharfen Gewürze, keine Zwiebelprodukte (Knoblauch, Lauch, Zwiebeln, Schnittlauch etc.). Keine Fertiggerichte, die mit Soßen oder Gewürzen versehen sind. Kein Kaugummi! Keinen Alkohol! Kein Tabak!

  Nicht allein das, was der Erkrankte riechen kann, ist gefährlich. Nahrung wird über die Poren ausgedünstet, und dies kann starke Symptome hervorrufen.

➤ Keine Mobilgeräte mitbringen: viele Erkrankte sind elektrosensibel. Zudem enthalten die modernen Displays Chemikalien, die starke Reaktionen hervorrufen können. Ein Ausschalten alleine reicht hier nicht, man sollte generell auf Elektrogeräte verzichten, wenn man einen Kranken besucht.


➤ Der Cleanroom ist tabu: die meisten MCS-Kranken haben einen Raum für sich, in dem sie außer dem Nötigsten (meist nur ein Bett und Kleidung, sowie Atemmasken) nichts aufbewahren. Dieser sogenannte Cleanroom ist der Ausweichort, an den sich ein Kranker zurückziehen kann, um sich von starken Expositionen zu erholen. Hier dürfen keinerlei Stoffe eindringen oder eingeschleppt werden, die die Regeneration des Körpers stören können. Auch wenn die Neugier noch so groß sein mag: ein solcher Rückzugsort ist tabu!



Hilfe bei Arzt- und Behördengängen:

Hierbei benötigen viele Erkrankte Unterstützung. Oftmals ist man als Kranker nicht in der Lage, diese Gänge alleine zu tätigen, denn aufgrund starker Symptomatiken bekommt man manchmal nicht alle Zusammenhänge mit, und sieht sich mit Fragen und Anforderungen konfrontiert, die einen schnell überfordern. Außerdem ist es enorm wichtig, das man einen Zeugen an seiner Seite hat, der die Gespräche aufmerksam verfolgt (und sich gegebenenfalls Notizen macht), sollte es zu fehlerhaften Befunden oder Berichten kommen. Leider gibt es unzählige Fälle, in denen ein MCS-Patient den Befund eines Arztes anfechten muss, damit er keine Konsequenzen zu tragen hat, die dem Verschulden eines "Experten" zuzusprechen sind.

Wichtig ist:

➤ mentale Unterstützung: der Begleiter muss (auch wenn er die Situation des Erkrankten selber möglicherweise nicht verstehen kann) dem Erkrankten den Rücken stärken und ihm Zuspruch leisten, wenn der Arzt/Beamte zu intervenieren versucht. Die meisten Ärzte kennen MCS entweder gar nicht, oder kennen sich mit der Krankheit nicht aus. Sie sind oftmals ebenso überfordert wie der Patient selber. Da Ärzte sich auch rechtlich absichern wollen, verweisen sie die Erkrankten oft an andere Ärzte, die sich mit ihrem Fall "beschäftigen sollen". Hier ist es besonders wichtig, das der Begleiter darauf hinweist, wieso der betreffende Arzt aufgesucht wird.


➤ körperliche Unterstützung: MCS-Kranke sind auf dem Weg zu Behörden und Ärzten schon unzähligen Stoffen ausgesetzt, die den Körper schwächen: motorische und/oder neurologische Störungen können auftreten. Bei stark ausgeprägter MCS können Erkrankte oftmals nicht mehr richtig laufen, nicht richtig sprechen (z. B. Lallen, verlangsamte Sprache), bekommen Atemnot, haben viel Durst, müssen vermehrt die Toilette aufsuchen etc. Hierbei sollte der Begleiter geduldig helfen und - sobald neurologische Störungen auftreten - an der Rezeption Bescheid geben.

  Generell sollte der Begleiter die Anmeldung des Erkrankten übernehmen und ggf. die Formulare ausfüllen.


Um einem MCS-Erkrankten konstruktiv zu helfen ist Kommunikation sehr wichtig! Man sollte sich als Begleiter eingehend mit dem Kranken unterhalten, fragen welche Symptome auftreten, wie sich der persönliche Alltag gestaltet, welche Stoffe vertragen werden, in welchem Bereich der Erkrankte Hilfe haben möchte, etc. So kann man vorsorgen und einlenken, wenn Gänge getätigt werden müssen.

Generell ist Kommunikation natürlich das A und O! :)  Um einen nahezu normalen Umgang mit Erkrankten zu pflegen, sollte viel geredet werden.


Übrigens: wir Erkrankten quatschen nicht die ganze Zeit pausenlos nur über unsere Erkrankung und wie schlecht es uns geht. Im Gegenteil. 😉

2 Kommentare:

  1. ich habe eine Freundin, Gal, die wie ich EHS betroffen ist und stark MCS zusaetzlich. sie wird wieder mal homeless in 2 Wochen. Kein passendes Haus in Aussicht. Wir wohnen in Israel. Ich weiss wovon du sprichst. das leben ist schon fast unmoeglich NUR mit EHS, aber wenn man beides hat, oder auch nur MCS, ist ja fast kein Leben moeglich. Umarmung. Noa aus Israel.

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    1. Diese Kombination ist schrecklich - ob ich elektrosensibel bin, weiß ich gar nicht, denn in unserer Wohnung gibt es zwar ein Handy, aber das ist meistens aus bzw. schon gar nicht in meiner Nähe. Ich reagiere auf jeden Fall auf die meisten Displays, da die darin enthaltenen Chemikalien sich in der Luft verbreiten und sofort meinen Körper attackieren. Handy ist ein no-go in der Nähe ALLER MCS-Erkrankten, egal ob EHS oder nicht. Das Umfeld muss darauf hingewiesen werden, die Geräte gar nicht erst mit in die Nähe der Kranken zu nehmen. Das sollte doch möglich sein. -.-

      Es tut mir sehr leid das mit Deiner Freundin zu hören. :( Ich wünsche ihr von Herzen alles Gute und das sie doch bald wieder eine Bleibe findet, die sie verträgt und in der sie Ruhe und Kraft finden kann!

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