Montag, 4. September 2017

Golden Girls: "Sick and Tired" - 30 Jahre, nichts hat sich getan

... und warum schreibe ich hier über eine Fernsehserie?


Golden Girls: "Sick and Tired" (auf Deutsch: "Das Schlafsyndrom"), 2 Teile
(1989)

Inhalt:
Dorothy fühlt sich abgeschlafft, leidet unter Schlafstörungen, Konzentrationsverlust, Appetitlosigkeit, und ist oftmals selbst zum Reden zu müde. Sie muss ihren Job als Aushilfslehrerin aufgeben, da sie körperlich nicht mehr in der Verfassung ist, noch zu unterrichten.

Zweite Haupthandlung: Blanche fühlt sich zur Schriftstellerei berufen und beginnt, einen Roman über ihr Leben zu schreiben.

Während Blanche sich mit den Problemen eines Schreibers konfrontiert sieht - sie leidet schon bald unter einer Schreibblockade -, beginnt Dorothys Odysee von Arzt zu Arzt. Die Ärzte sagen ihr reihenweise, das sie nicht unter einer körperlichen Erkrankung leidet, sondern lediglich eine psychische Krankheit habe, sich somit also ihre Probleme selber schafft. Sie wendet sich an einen der renommiertesten Neurologen in New York, der ihr das selbe erzählt wie alle anderen Ärzte: sie werde alt, und sie solle sich doch einfach mal die Haare färben, das würde ihr Selbstvertrauen stärken und dann ginge es ihr bald wieder besser.

Dorothy ist am Boden zerstört, als sie wieder nach Hause kommt, und befürchtet, das sie verrückt wird - und die Ärzte doch im Recht sind. Die Golden Girls sitzen am Abend in der Küche zusammen und haben Angst um Dorothy.

(Ende Teil 1)

Im zweiten Teil wendet Dorothy sich an einen langjährigen Freund: den Kinderarzt Harry. Diesem vertraut sie sich an, und er sagt ihr: "Bloß weil die Ärzte nichts festgestellt haben, muss das nicht bedeuten, dass nichts vorliegt!" Er verweist sie an einen Virologen im selben Krankenhaus, in dem auch er arbeitet.

Währenddessen ist Blanche mittlerweile 72 Stunden am Stück wach und fest der Überzeugung, das sie das beste Buch aller Zeiten geschrieben hat. Die Verleger sehen das allerdings anders, und weisen sie ab.

Dorothy geht mit Sophia zu Dr. Chang. Dieser eröffnet ihr, das sie tatsächlich unter einer körperlichen Erkrankung leidet: dem Chronischen Schlafsyndrom*. Glücklich, das sie endlich eine Diagnose und somit einen Namen für ihr Leiden hat, feiert Dorothy abends mit ihren Goldies in einem schicken Restaurant. Hier sieht sie an einem Tisch Dr. Budd sitzen, der ihr in New York geraten hat, sich mit ihrem Alter abzufinden. Sie geht an seinen Tisch und erzählt ihm, das sie nun endlich wüsste, was nicht mit ihr stimmt, und das ihre Erkrankung einen Namen habe - eine reale, körperliche Erkrankung - und das dies nichts mit ihrem Alter zu tun habe. Sie gibt dem Arzt am Ende ihres wütenden, sehr emotionalen, ehrlichen und herzerwärmenden Monologes den Wunsch mit auf den Weg, sollte er mal an ihrer Stelle sein, wünsche sie ihm einen Arzt, der nicht so wäre wie er selber.

(Ende)

*Anmerkung: die Erkrankung, unter der Dorothy leidet, ist bekannt unter CFS (Chronic Fatigue Syndrome/ME/Chronisches Erschöpfungssyndrom). 

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Mich hat es überwältigt! Ich habe lange auf diese Episode gewartet. Dorothys Erkenntnis, das sie als Mann eher ernstgenommen werden würde, als als Frau mittleren Alters, hat mich zugleich wütend und traurig gemacht. Ich selber bin seit vielen Jahren der Überzeugung, das die meisten Ärzte eine sexistische Einstellung gerade in Hinsicht auf Erkrankungen haben, von denen sie keine Ahnung haben und nicht haben wollen. Ich habe mich in den vergangenen vier Jahren - und ich kann gar nicht mehr aufzählen, bei wievielen Ärzten ich mittlerweile war, es müssen um die 100 sein - zu 99% nicht ernstgenommen gefühlt. Bin ich alleine zum Arzt gegangen, wurde mir über den Mund gefahren, ich wurde unterbrochen, belächelt, sogar ausgelacht, für eine Spinnerin erklärt. War mein Lebensgefährte dabei, hielten sich die Reaktionen ein klein wenig zurück, angesprochen wurde aber nur mein Freund, selten wurde mir dabei ins Gesicht gesehen. Ich kam mir oftmals wie ein kleines Kind vor, dem der Erwachsene erklären will, das ein Lolli keine richtige Mahlzeit ist. 

Der erste Arzt, den ich nach der OP aufsuchte, schob direkt alles auf die Psyche. Meine Erklärungsversuche, welche Symptome unter welchen Umständen auftreten, unterbrach er mit den Worten: "Sowas gibt es gar nicht!". Diese Worte hallen wie eine Platte mit Sprung noch heute oft in meinem Kopf nach, Alptraumworte, wie aus einem Horrorfilm. Er hat mir auf den Kopf zugesagt, das ich bei einem Angsttherapeuten am besten aufgehoben sei, das das alles nur in meiner Fantasie existieren würde. Und das ich zu jung sei, mein Leben wegzuwerfen für eine Sache, die nur eingebildet ist. Der Arzt ist selber nur zwei Jahre älter als ich, also meine Generation. In Amerika studiert - in einem Land, in dem MCS schon lange anerkannt ist, und deren Fortschritte gerade hinsichtlich der Umwelterkrankungen nach vorne gehen. Dort weiß man seit mehreren Jahrzehnten (!), das diese Erkrankung existiert, und das sie körperlich (organisch) ist!

Und so ging es weiter, all die Jahre, von einem inkompetenten Weißkittel zum nächsten. Die meisten sahen mich nur mit einem abschätzenden Blick an. Diese Blicke sprachen Bände, ich konnte förmlich hören, was sie sagten: "aha, eine Frau, Anfang vierzig, keine Schilddrüse mehr - das müssen die Hormone sein. Und natürlich die Psyche, denn Frauen sind ja allgemeinhin labil und neigen zu Hysterie." Einige sagten mir genau das, verschrieben mir rasch ein Antidepressiva (denn wir wissen ja: Tabletten sind immer gut!) und schickten mich nach Hause. Reihenweise. Jeder einzelne von ihnen.

Ich danke für diesen Satz: "Bloß weil die Ärzte nichts festgestellt haben, muss das nicht bedeuten, dass nichts vorliegt." Genau meine Gedanken! Noch vor hundert Jahren sind Menschen an Lungenentzündung gestorben, weil die sogenannten Ärzte nicht wussten, womit sie es zu tun haben und was man tun sollte. Sie haben Kranken geraten, in abgedunkelten Räumen zu liegen, sich flüssig zu ernähren und viel zu schlafen. Heute weiß man, das bei vielen Erkrankungen gerade frische Luft und Bewegung wahre Wunder bewirken können, um das Immunsystem zu stärken und zu fördern. Wären nicht immer wieder engagierte und neugierige Querulanten unter den Doktoren gewesen, steckte die Forschung diesbezüglich immer noch im Wiegenkasten. 

Lächerliche Phrasen und Vorurteile, mit denen man sich heutzutage noch rumschlagen muss! Und alles auf Kosten der Erkrankten, die ja nicht schon genug mit der Krankheit selber zu kämpfen haben!

Traurig (und natürlich sehr wütend) gemacht hat mich die Tatsache, das die Folgen schon 30 Jahre alt sind - und sich keinerlei Weiterentwicklung zeigt. "Zum Wohle des Patienten" ist in "zum Wohle des eigenen Ermessens" geworden: die Ärzteschaft will sich nicht zur Verantwortung ziehen lassen, wenn es in riskanten Fällen (also bei allen schwerwiegenden chronischen Erkrankungen) zu Fehlern in der Diagnostik/Behandlung/Medikation kommt. Also wird der Ermessensbereich auf ein Minimum beschränkt, damit man bloß nichts falsch machen und sich somit aus aller Verantwortung nehmen kann. Doppeltes Opfer also der Patient: der leidet nicht nur körperlich, sondern auch noch unter den kräftezehrenden Ärzte-Marathons, die man hinlegen muss, wenn man Gehör finden will. Von einer erfolgreichen Behandlung ist man hier ja noch weit entfernt, denn es geht allein darum, einen Arzt zu finden, der überhaupt mal bereit ist, eine Diagnose zu stellen! Das sollte man sich auch als Außenstehender vor Augen führen.

Als ich endlich dahinterkam, was mit mir los ist, unter was ich leide, war ich erleichtert und erschüttert gleichermaßen: wer will schon krank sein, vor allem chronisch? Aber es war gut zu wissen, das es diese Erkrankung gibt, das sie benannt ist, und das ich nicht alleine bin mit all dem, was mit mir geschieht.

Der Zweiteiler der Golden Girls ist 1:1 das, was ich mitmache. Und nicht nur ich, traurigerweise. Es gibt so wahnsinnig viele Menschen, denen es ebenso ergeht.

Ich möchte an dieser Stelle allen Betroffenen sagen: gebt nicht auf! Ich weiß, das es hart ist, bitter, traurig, frustrierend, schmerzhaft. Und auch wenn sehr viele (und immer mehr) Menschen mit MCS/CFS nicht mehr wie andere Menschen fähig sind, am sozialen Leben teilzuhaben, so gibt es dennoch die Möglichkeit des Austausches (leider auch nicht mehr für alle). Findet euch zusammen, tauscht euch aus, schöpft Kraft und Hoffnung! Die Krankheit ist echt, sie ist greifbar, sie existiert. Niemand bildet sich das ein! Lediglich die Weißkittel erschaffen in ihren kleingeistigen Köpfen eine Fantasiewelt, in der sie die bittere Realität schönmalen und ausschließen: nur sie glauben daran, das es das alles nicht gibt. Sollen sie ein paar Tabletten einwerfen (denn wie gesagt, wir wissen ja, das Tabletten immer gut sind).


Hier der Monolog:

Dorothy (zu Dr. Budd, der aufstehen will): "Hinsetzen! Bei Ihnen hab' ich auch lange gesessen! Dr. Budd, ich kam als Kranke zu Ihnen. Krank und ängstlich. Und sie schickten mich fort. Sie wussten keine Antwort, und statt zu sagen: 'tut mir leid, ich hab keine Ahnung, was Ihnen fehlt', gaben Sie mir das Gefühl, ich sei irre, als hätte ich mir das eingebildet. Sie schickten mich weg, sie behandelten mich, als sei ich noch ein Kind, eine Verrückte! Als ob eine Neurotikerin Ihre kostbare Zeit verschwendet! Ist das... ist das Ihr Berufsethos als Mediziner? Heisst das Heilen? Kein Mensch hat so eine Behandlung verdient, Dr. Budd, niemand! Ich hab den Verdacht, als Mann hätte man mich ein bisschen ernster genommen und nicht gesagt, ich sollte mal zum Friseur gehen!"

Dr. Budd: "Hören Sie, ich werde nicht länger hier sitzen und... "

Dr. Budds Begleiterin: "Sei still, Lois!"

Dorothy: "Ich weiß nicht, wo ihr Ärzte eure Menschlichkeit verliert, aber ihr verliert sie! Wenn alle am Anfang ihrer Artzkarriere eine Weile schwer krank und sehr verängstigt wären, würden sie wahrscheinlich mehr daraus lernen als auf der Universität! Besser, sie hörten ihren Patienten zu, dass ist es, was sie brauchen! Fürsorge und Mitgefühl ist es, was sie brauchen! Sie wollen beachtet werden! Irgendwann, Dr. Budd, werden Sie auch mal in die Lage kommen. Und so wütend ich auch bin, und so wütend ich auch in der Zukunft sein werde, ich wünsche Ihnen einen besseren Arzt als Sie es mir waren!"

(auf Englisch, Deutsch nicht verfügbar)

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