Riechst du noch oder lebst du schon?

oder auch:

Stinkst du noch oder 

kannst du endlich wieder riechen?

Der Mensch in der sogenannten "zivilisierten Welt" umgibt sich gerne mit extrem vielen Gerüchen. Das wird dann "Duft" genannt. Ich frage mich oft, ob der Gesellschaft eigentlich klar ist, was genau ihr "persönlicher Duft" beinhaltet?

Die einfachsten Beispiele sind die sogenannten "Hygieneprodukte": Zahnpasta, Duschgel, Shampoo, Seife, Waschmittel, Weichspüler, Spülmittel, Putzmittel. Ist doch nicht viel. Ach so, und natürlich das Toilettenpapier, das ebenfalls wohlriechend sein muss, damit der Po nach dem Großen Geschäft nicht in irgendeiner Form riechen könnte.

Doch allein auf dem Kopf spielen oft zusammen: Shampoo, Spülung, Schaumfestiger, Haargel/-Lack/-Spray, Haarfärbung/-Tönung, Zahnpasta, Zahnseide, Make-Up (z. B. Lippenstift, Eyeliner, Rouge, Pflege- und Feuchtigkeitscremes, auch Nachtcremes oder sonstiger Krempel, den man sich "zur Pflege" ins Gesicht schmiert), Kajalstift, künstliche Wimpern, Wimperntusche, Rasierschaum, After-Shave, Lippenpflege, Anti-Aging-Produkte etc. etc. etc.

Abgesehen vom Kopf will man natürlich auch sonst nett aussehen und - vor allem! - gut riechen. Da kommt nicht nur Duschgel - oder wenn man Zeit und die Möglichkeit besitzt - Bademittelchen
zum Einsatz, sondern natürlich auch Ganzkörperpflegemittel, die die Haut geschmeidig halten sollen. Wer dann "ganz natürlich" leben will, reibt sich mit Naturprodukten ein, die nicht nur Parfüme enthalten, sondern extrem riechende ätherische Öle - die halten ja auch länger. Selbstverständlich will die Haut auch bei den unterschiedlichen Jahreszeiten - meist Sommer und Winter - geschmeidig gehalten werden, und hier wird rasch zu Sonnencreme und Fetten gegriffen, deren "seltsamen Geruch" man rasch mit ein wenig Parfüm oder Deo übertünchen kann.

Doch Deo (ob als -Spray oder als -Roller) ist nicht das einzige, das den gesamten Körper so richtig schön duften lassen soll: denn das könnte ja verfliegen! So wird Waschmittel verwendet, das nicht nur stark parfümiert ist (ob nun mit Rosenduft versehen oder für die Naturliebhaber als Obstsorte getarnt), sondern am besten auch noch Weichspüler beigegeben, damit der dezente Limettengeruch einen flotten Tanz mit dem Orangenduft des Waschmittels hinlegen kann. Oder gerne kann sich auch Lavendel mit Flieder paaren, dann riecht man wie frisch aus einem (künstlichen) Blumenengarten! Zur Abrundung - und zur Sicherheit - wird nach dem Ankleiden nochmal rasch ein Sprühstoß hier, ein Sprühstoß da an Himbeerdeo aufgetragen, nur für den Fall, das jemand anderes auf die Idee kommen könnte, das dieses aufregende Zusammenspiel an Gerüchen nicht genug sei und man tatsächlich noch etwas durch die Klamotten vom eigentlichen Körpergeruch wahrnehmen könnte.

Aber der Körper allein ist nicht das Ende des Duft-Wahnsinns. Die Wohnung muss schon für alle Evantualitäten "herrlich riechen", nicht nur wie jeden Tag frisch geputzt. Denn das reicht nicht, denn "nur putzen" riecht nicht, nein, man beduftet sein Klo wie einen auf einen Haufen geworfener Zitronen. Natürlich nicht, ohne vorher desinfizierende Chemikalien zu benutzen, damit bloß keine einzige Bakterie die Chance hat, sich hier anzusiedeln. Man will sich ja nicht die Pest an den Arsch holen, nur weil man mal ein Häufchen legen muss. Und damit die Kacke nicht stinkt, wird vorsichtshalber das Bad selber noch mit einem Sprüher versehen, der nach dem "Abseilen" dann per Knopfdruck so wahnsinnig tolle Düfte verbreitet wie Rose oder Maracuja-Birne oder auch Kokosnuss - dann fühlt man sich schon gleich nach dem Scheißen wie in der Karibik (oder wie in der Stammkneipe zur Happy-Hour).

Auch Spülmittel - ach, und wenn wir doch schon dabei sind - auch die Putzmittel sollen toll riechen. Denn wenn man sich schon die Mühe macht und die Wohnung säubert, dann möchte man sich doch gerne von Düften einlullen lassen, die einen geradezu animieren, immer weiter zu putzen! Wer mag schon Staubgeruch in der Nase? Dann doch lieber eine ordentliche Dosis an Limette oder Zitrone, denn das ist gängig, weil es so herrlich frisch riecht! Und das sogar über Wochen hinweg!
Und selbstverfreilich mag die Wäsche, die lange im Schrank hängt, auch nicht vergessen werden - selbiges gilt natürlich auch für Bettwäsche. Hier wird dann gerne neben Waschmittel und Weichspüler ("Einige Male im Jahr wasche ich alles durch") gleich noch schnell ein "Entdufter"-Spray eingesetzt, das alles von jeglichen "miesen" Gerüchen befreit, und der wochen- oder gar monatelang einen Geruch nach Sommerwiese, Frühlingswind oder Winterweiden verströmt.

Kommt man dann von einem Arbeitstag nach Hause - einem Tag, an dem man von Kollegen und deren Gerüchen belästigt wurde - dann riecht es doch wenigstens in den eigenen vier Wänden noch vertraut. All die hunderte von unterschiedlichen, zusammengewürfelten Düfte kann man zwar nicht mehr wahrnehmen (geschweige denn auseinanderhalten), aber man weiß doch allein anhand des Geruchcocktails, das man zu Hause ist.

Mensch: wann hast du eigentlich das letzte Mal an dir selber geschnuppert? Wann hast du mal alles ohne Düfte, ohne Chemikalien, ohne Parfüme oder ätherische Öle gereinigt?
Und hast du dich jemals gefragt, welche Chemikalien und chemischen Zusätze verwendet werden, um solch lang anhaltende Effekte zu erzielen? Hast du jemals darüber nachgedacht (wenn denn vor lauter duftendem Giftcocktail überhaupt noch fähig zum Denken), wie sehr all diese Gerüche dein zentrales Nervensystem angreifen und beeinflussen? Das du durch Beduftung deiner Selbst (also auch deiner Wohnung) ständig unter Drogen stehst? Das die Beduftung der Geschäfte, die "hach so angenehm riechen", ebenfalls nur künstlich herbeigeführt ist um dein Gehirn zu manipulieren?

Denn Tatsache ist, das alle Geschäfte beduftet werden. Ja, auch Bäckereien. Die meisten backen doch gar nicht mehr selber, doch damit es immerzu und rund um die Uhr nach "frischem Brot" riecht, werden künstliche Raumdüfte eingesetzt. Ebenso in Banken/Sparkassen, denn der Kunde soll ein Gefühl von Sicherheit vermittelt bekommen. Glaubst du nicht? Siehst du mal hier nach:
Umweltbundesamt: Duftstoffe - Chemische Begleiter des Alltags
Unverschämt, sich damit auch noch zu rühmen:
Lebensmittelhandel: Beduftung stimuliert den Geruchssinn und verleitet Kunden Ihre Lebensmittel auszuprobieren
Aroma und Duftmarketing mit Duftmaschine und Duftautomaten
Willst du selber nachsehen? Dann gibt doch einfach mal "Duftmarketing" ein.

Zur Info: Schon in Zeiten des Barock hat man sich gerne gepudert/geschminkt und mit Parfüms eingesprüht, damit der Eigengeruch nicht zu Tage kam. Doch damals gab es noch keine Toiletten, wie wir sie heute kennen. Damals haben die Leute bei großen Gesellschaften (= Festen, Partys also) ihre Hinternklappen geöffnet und unter die Treppen geschissen. Sie haben unter die Tische gepinkelt. Sie haben gestunken und diesen Gestank lediglich übertüncht mit anderen Düften. Bist du anders?

Und immer dran denken: das tust du dir nicht nur selber an, sondern auch deinen Mitmenschen! (Ganz zu schweigen von der Umwelt... )