Donnerstag, 14. November 2019

Eine Blutabnahme wie sie sein sollte


➤ hierzu bitte diesen Beitrag vorab lesen!


Der Hinweg

Alles war abgeklärt. Jetzt stand er also tatsächlich an: der Termin zur Blutabnahme (zum ersten Mal seit mehr als zwei Jahren, also seit 2017). "Wieso ist das so 'ne dolle Sache?" wird sich vielleicht der ein oder andere fragen. Für mich auf jeden Fall - und für jeden anderen Menschen, der unter (schwerer) MCS leidet.
Denn Fakt ist: das muss alles sehr schnell und reibungslos, wie auch mit dem geringstmöglichen Risiko für Leib und Leben ablaufen. Jede noch so kleine Exposition an Desinfektionsmitteln, Formaldehyd, Duftstoffen etc. kann riskante Auswirkungen auf den MCS-geschädigten Körper nehmen.

❗ Hierzu zählt nicht allein der Besuch in der Arztpraxis selber,
sondern auch der Hin- und der Rückweg ❗

Ein Alptraum ist hier die Innenstadt. Sicher, die Arztpraxis selber ist nicht so weit entfernt (ca. 1 km), aber hier gilt es doch etliche Hindernisse zu überwinden bzw. zu umlaufen. Allein den Schwefelbrunnen (der Kochbrunnen, siehe auch Kochbrunnen Wiesbaden) ... die dampfenden Gullis gilt es zu umlaufen. Und um die Uhrzeit ist Donnerstags eine reine Hetzjagd angesagt: Straßenfeger, Laubbläser, Straßenreinigungsfahrzeuge... ein Alptraum! Die kreisen immer wieder um den zentralen Punkt, als würden sie ein lustiges "ich-krieg-dich-sowieso"-Spielchen veranstalten. Kräftezehrend und nicht zuträglich bei MCS. Das ständige Ausweichen, umgehen und die damit verbundene Anstrengung machen es nicht leichter, mit den Giftstoffen klarzukommen.

Heftig war der Gang auf einer Gasse, auf der die Geschäfte (Bäckerei, Metzgerei und Blumenladen) bereits geöffnet hatten - alle nebeneinander. Der künstliche Duft der Bäckerei, verursacht durch den Duftautomaten, war noch schlimmer und hat mich fast in die Knie gezwungen - die Muskelschwäche setzte automatisch ein, noch ehe ich die Bäckerei sehen konnte; Schwindel und Übelkeit, ich wollte spucken und kotzen; die Nase lief, der Reflux steigerte sich, Atemnot setzte auch ohne Herzrasen ein, Nervenstechen im Kopf, Gelenkschmerzen u. a. Symptome. Dabei war die Arztpraxis jetzt nur noch um die 30 Meter entfernt. Die Metzgerei hatte die Tür zwar geschlossen, aber ein heftiger Gestank der chemischen Beleuchtung setzte mir stark zu. Zudem - wieder, wie bei der Bäckerei - der künstlich erzeugte Geruch von "frischem Fleisch". Ich dachte, ich breche zusammen. Konnte mich kaum auf den Beinen halten, wollte aber nicht stehenbleiben. Und dann noch, die letzte Hürde, direkt danach: der Blumenladen. Ich weiß nicht, was das für Blumen waren, die auf der Gasse standen. Sie stanken widerlich. Sie durchdrangen alles... Sowas ekelhaft penetrantes!

 Ungefähr zwanzig Meter weiter waren wir dann endlich vor der Arztpraxis. Mein Lebensgefährte rein, zur Anmeldung. Ich wartete einige Minuten - leider eine Frau mit einer Kippe an mir vorbei gegangen, die mir dann den Rauch auch noch entgegen blies. Vermutlich, weil ich wie ein "Freak" aussehe, wenn ich mir ein Tuch vor Nase und Mund halte. Da muss man ja langsamer gehen, wenn man sieht, das jemand seine Atemwege schützen muss, und ihn noch reizen. Das dumme Grinsen von der Dame ging mir am Arsch vorbei, sowas kümmert mich schon seit Jahren nicht mehr.
 Dann kam mein Lebensgefährte, hakte mich unter, sagte mir in der Praxis, wo ich hinlaufen müsste (meine Brille war so beschlagen, das ich nichts mehr sehen konnte).

Das Labor: der Gestank ging mir durch Mark und Bein, das war wie in einem Horrorfilm für mich.
Mein Lebensgefährte öffnete - wie wir daheim besprochen hatten - den Reißverschluss meiner Jacke, zog den rechten Jackenärmel über den Ärmel meines Pullovers; ich setzte mich hin. Die Dame sagte:
"Ist dieser Arm besser als der andere?" (Ich lasse nur am rechten Arm Blut abnehmen, links habe ich mehr als schlechte Erfahrungen.)
Ich nickte, während mein Lebensgefährte schon bejahte.
Sie sagte, ich sollte den Arm ausstrecken, eine Faust machen.
Nadel einführen: nix gespürt.
"Sie können die Faust jetzt öffnen."
Da meine Hände eiskalt und steif waren, fragte ich:
"Ist es so gut?" während ich versuchte, die Faust zu lockern.
"Ja, sehr gut, langsam weiter so. Eines brauche ich noch."
 Nachdem sie drei Ampullen abgezapft hatte, tupfte mein Lebensgefährte die Bluttröpfchen ab, drückte ein paar Mal kurz auf den Einstichpunkt, fertig. Pulli runter, Jacke an, bedankt, und raus.

Die Blutabnahme dauerte keine fünf Minuten und verlief optimal.

Jetzt auf das Ergebnis warten. Und hoffen, das ich nächste Woche mein Rezept in erhöhter Dosis für die SD-Hormone bekomme.


Der Rückweg

... war nicht so leicht, wie ich erhofft hatte. Ich war durchgefroren. Ich wollte nach Hause, meine Hormone nehmen und vor allem: ich wollte Wasser trinken! Ich hatte furchtbaren Durst, trotz der eisigen Kälte. Meine Beine schmerzten (Muskelkater in den Waden), meine Füße "platschten" wegen der Polyneuropathie wieder nur auf, meine Bandscheibe schmerzte. Ich atmete nur noch durch den Mund (natürlich durch mein Tuch!), doch an sich ging es mir gut.

Zuhause erstmal raus aus den Schuhen, die mich nur noch einengten - ebenfalls eine Begleiterscheinung der Polyneuropathie - und raus aus den Klamotten. Den Arm mit dem Einstich gründlich abgewaschen. Fertig, ab unter die Dusche. Hände gut gewaschen (die waren ja unbedeckt). Dann Hormone eingeworfen. Zack - halbe Stunde ausruhen und freuen, das ich bald frühstücken konnte. Und in dieser Zeit war ich einfach erleichtert, das ich es so gut überstanden hatte!

Ohne meinen tollen Lebensgefährten wäre mir das nicht möglich gewesen. Danke! 😍💗




Nicht zu vergessen:
Hier gibt es übrigens noch einen Kurt für die nette Dame, die souverän und nett, fast schon liebevoll, auf mich eingegangen ist. Ihr Lächeln, um mir Mut zu machen, ihre Kompetenz (nicht mal einen winzigen blauen Fleck habe ich von der Blutabnahme), ihre Fähigkeit, spontan auf einen Menschen einzugehen, der ihr so in der Praxis nicht jeden Tag unterkommt. Herzlichen Dank! Blutabnahme: nur hier!



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