Donnerstag, 14. Januar 2016

der Arztbesuch, der keiner war... (der anstrengende Tag Teil I)

Dieser ständige Magendruck macht mich kirre. In den letzten Wochen hat die Übelkeit dermaßen zugenommen - soetwas kenne ich gar nicht. Also meinte mein Freund, ich solle mich doch nochmal zu einem Gastro quälen. Das ich mit Reflux zu tun habe - naja, das ist mir seit 20 Jahren bekannt, und das wurde dann in den letzten zwei Jahren (seit meiner SD-OP) ja zur genüge nochmal breitgetreten. Dennoch schlucke ich keine PPIs (Patronenpumpenhemmer)... allein schon mit der MCS ist das gar nicht mehr zu vereinbaren.
 Wie dem auch sei: einfach mal was essen ist nicht mehr. Schon lange nicht mehr. Ich vertrage kaum noch was, weiß aber - da ich keinen gescheiten Arzt finde - gar nicht mehr, was ich noch und was ich nicht mehr essen sollte, bzw. was ich brauche und auf was ich getrost verzichten könnte.

Okay, mein Lebenspartner also einen Gastro im Netz rausgesucht und dort angerufen. Lang und breit (mittlerweile hat er da richtig Übung drin, traurigerweise muß man schon sagen) erklärt, das ich unter MCS leide, das ich keinerlei Gerüche ertrage, deshalb in kein Wartezimmer kann, nicht lange in der Praxis rumsitzen bzw. davorstehen... blubberbla. Haarklein alles erklärt. Wow, dann sehr kurzfristig (zwo Tage später schon!) einen Termin zum Erstgespräch bekommen. Bei einer Ärztin (5er-Gemeinschaftspraxis).
 Hui, sehr kurzfristig der Termin, für mich hart, mich da flexibel drauf einzustellen. Immerhin bin ich offiziell ja "gesund", nur ich weiß eben, was mir fehlt, die Ärzte wollen das nicht akzeptieren und schieben alles a) auf die Schilddrüse, b) darauf, das ich eine Frau bin, c) es "irgendetwas psychosomatisches" sein muß. Haha, ja, klar.

Wir haben also den Termin um 7:45 Uhr bekommen, denn "dann sind Sie als allererstes dran!". Oha, die scheinen
es verstanden zu haben, dachte ich. Das war Dienstag. Mittwoch hatte ich schon ein mulmiges Gefühl. Ich habe schon immer einen sechsten Sinn für sowas gehabt: wenn mein Bauchgefühl mir von etwas abrät, sollte ich es sein lassen. Aber nein, dann könnte ich mir wieder anhören "du hast es nicht mal versucht". Und da dies ein wichtiger Arztbesuch ist, wirklich wichtig, denn ich mache mir große Sorgen um meine Bauchspeicheldrüse (die Andeutung fiel vor über einem Jahr, das etwas nicht stimmt), dachte ich einfach nur: "ich schaffe das irgendwie, also Augen zu, Nase zu, und Zähne zusammenbeißen".

 Allein der Hinweg war schlimm: Autoabgase, die mir zu schaffen machen. Die Nasenflügel so gut es geht zusammengepresst halten. Und das bei -2°C. Mag ja dem ein oder anderen nicht so kalt erscheinen, aber wenn man erstmal wochenlang nicht mehr vor die Tür gehen kann... mir lief der Rotz, und da ich keine Tempos benutzen kann (aufgrund der Beduftung des Zellstoffs) ... naja, lassen wir das. Ist echt lecker. -.-
  Die Praxis befindet sich in einem dieser mittlerweile echt zur Plage gewordenen "Ärztehäuser" (alles unter einem Dach, haha), 2. Stock. Aufzug (dort die Luft anzuhalten war einfacher als mich die geputzten Treppen raufzuquälen). Der Flur vor der Arztpraxis stank wie eine Mischung zwischen Chemie-Klo und Schwimmbad-Chlor. Mir wurde sofort schwindelig, benommen, ich bekam Krämpfe, Kopfschmerzen und fuhr umgehend mit dem Lift wieder runter, um mich - bei der eisigen Kälte - vor die Tür zu stellen. Dauerte nicht lang, da bebte ich geradezu vor Kälte und Angst. (Die Praxis war um 7:40 Uhr noch nicht geöffnet, wie gesagt, 7:45 Uhr sollte mein Termin sein!)

Um 8:00 Uhr holte mein Freund mich wieder nach oben. Ich stellte mich im Gang ans geöffnete Fenster - so gut es ging, denn um dort wirklich die Nase raushalten zu können hätte ich mindestens 20 Zentimeter größer sein müssen. Meine Hände waren steif vor Kälte, meine Nase war mittlerweile ganz wund, mein Kopf schien platzen zu wollen, meine Beine schmerzten, die Arme zitterten, die Nerven vibrierten... Die Ungeduld wuchs. Dann sollte ich noch einen Wisch ausfüllen (der sogenannte Amnanese-Bogen, boah nerv), den ich natürlich nicht anpacken konnte, da ich mir die Nase zuhalten mußte. Also füllte mein Freund den aus, ich unterschrieb lediglich (Pulli um den Kuli gewickelt wegen der Plastikummantelung des Schreibgeräts, und auch damit meine Hand nicht in direkten Kontakt mit dem Papier kam).
 So wartete ich ungeduldig. Es war dann gegen 8:20 Uhr, als mein Kreislauf schlapp zu machen begann. Zuerst Herzrasen, dann plötzlicher Blutdruckabfall, starke Benommenheit, Krämpfe im rechten Fuß und Bein (bekomme ich bei einer kurzen, sehr heftigen Geruchsattacke mit Chemikalien, da hatte ich nämlich mal die Hand, die die Nase zuhält wechseln müssen und mir drang ein Schwall von Deos und Parfums in die Nase --- das Fenster, an dem ich stand, befand sich direkt neben dem Aufzug, aus dem alle ppar Minuten Leute kamen); da wußte ich, es geht nichts mehr, wenn ich jetzt hier nicht rauskomme, dann breche ich zusammen.
  Ich hörte, wie mein Freund sagte: "So, ich warte nicht mehr länger, wir gehen." Er brachte den Fragebogen wütend in die Praxis zurück und sagte, das das eine Zumutung sei. Man sagte ihm, das die Ärztin noch nicht da sei...

Der Heimweg war eine Qual, aber bei weitem nicht so grauenvoll wie das Warten in dieser Chemie-Hölle. Ich wollte nur noch nach Hause und ins Bett, in einen Raum, in dem ich mich regenerieren konnte...

Später - während ich im Bett lag (schlaflos wohl, aber wenigstend konnte sich mein Körper ein wenig erholen) - telefonierte mein Lebenspartner nochmal mit der Gastro-Praxis und sagte ihnen, das es unverantwortlich sei, einem Menschen (und das sei ja vorab telefonisch schon geklärt worden!) der unter MCS leidet, einen so frühen Termin zu geben, und dann müsse man doch ewig warten. Zumal der Flur des Arzthauses dermaßen mit Chemikalien verseucht gewesen sei, das es zu einem Kollaps hätte kommen können. Die Antwort:
"Naja, das können wir nicht beeinflussen, mit was hier geputzt wird, wir sind hier nicht die einzige Arztpraxis im Haus."
und:
"Es tut mir wirklich sehr leid, wie das gelaufen ist, die Frau Doktor dachte, Ihr Termin wäre im Krankenhaus, und deswegen wäre sie vor 9 Uhr sowieso nicht hier gewesen."

Bidde waaas? Können die denn das nicht vermerken, wo "Frau Doktor" einen Termin hat? Und zum 1. Punkt: na klar können die das beeinflussen, immerhin handelt es sich um eine Arztpraxis. Heißt: sensiblen Patienten (abgesehen von MCS-Erkrankten, also auch diejenigen, die hochgradig sensibel auf Gerüche "nur" mit dem Magen reagieren) muß der Zugang zur Praxis gewährtleistet sein. Somit kann man sich allerdings mit der Reinigungsfirma absprechen. Pfft, so ein Stuss...

 Ich habe gelitten. Nein, ich habe körperlich und nervlich (und ja, körperliche Nerven wie auch die seelischen Nerven) stark gelitten unter einem Arztbesuch, der nicht mal einer war! Da nutzt es nix, das ich die Überweisung dann wiederbekomme. Und keine Entschuldigung kann mir all die Stunden - naja, an sich schon eher Tage - wiederbringen, die ich durch dieses Disaster verloren habe.

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