Eine sehr langjährige und liebe Freundin von mir stellte per Kommentar eine interessante Frage:
Frage von Annette:Vorweg möchte ich sagen: diese Frage ist alles andere als dumm! Bei Konsultation noch so vieler Ärzte wurde mir diese schlicht erscheinende, und doch sehr weitreichende Frage noch nicht ein Mal gestellt - wohlgemerkt in den vergangenen fünf Jahren und bei rund 100 Ärzten. Somit nicht dumm, sondern intelligent! Damit danke ich der Verfasserin für die Inspiration und auch Motivation zu meinem heutigen Beitrag, der in der Tat ausufernd sein wird - denn genau soetwas bringt eine "einfache" Frage wie diese zutage.
"Hallo Sodamaus, das ist wirklich schwierig und kaum vorstellbar, so zu leben. Jetzt muss ich mal ganz dumm fragen, wie ist es möglich auch nur annährend euren Vitamin - und Mineralstoffhaushalt zu decken!? Das zieht ja ein Haufen Mangelerscheinungen nach sich, oder nicht? Ohne Obst und Gemüse kann man doch nicht leben? Liebe Grüße
Meine Schilderung in dem Beitrag Und was isst du so? schildert das worst-case-scenario - also den schlimmst anzunehmenden Fall. Natürlich gibt es sehr viele MCS-Erkankte, die - natürlich unter Abstrichen - eine fast schon alltägliche Ernährung haben: mit Verzicht auf Fertigprodukte (und das dürfte bei all den chemischen Zusätzen und als "natürliche Zusätze" getarnten Giftstoffen in eben dieser Nahrung nicht schwerfallen), ebenso wie bei diversen, individuell unverträglichen Lebensmitteln ist eine ausgegliche Ernährung möglich. Zumal hier dann die Devise heißt: selber machen, statt einfach fertig kaufen und darauf achten, woher es kommt und ob es natürlich ist!
Auch greifen einige MCS-Erkrankte auf NEMs (Nahrungsergänzungsmittel) zurück. Dies halte ich persönlich für fragwürdig, denn die gängigen NEMs sind industriell hergestellt, womit die beigefügten sogenannten "natürlichen Stoffe" chemisch produziert wurden. Der Körper kann diese weder lange speichern, sie rufen Nebenwirkungen (wie bei Medikamenten) hervor, und sind durch künstliche Farb-, Duft- und Aromastoffe verfälscht, um einen "natürlichen" Geschmack hervorzurufen, noch sind sie aufgrund all dessen zuträglich oder gar gesund. Erwiesen ist, das Nahrungsergänzungsmittel meist in übertriebener "Gesundheitsvorsoge" einfach in zu hohen Maßen eingenommen werden und dem Gesunden schaden und dadurch sogar zu chronischen Erkrankungen führen können (beachte hierzu meine Seite mit wichtigen Links). Ein gesunder Körper benötigt diese nicht, und ein (vor allem chronisch) kranker Körper kann sie nicht verarbeiten/verwerten oder regulär abbauen. NEMs sind in diesem Sinne nichts anderes als rezeptfreie Medikamente, die seit vielen Jahren eine im wahrsten Sinne des Wortes ungesunde Popularität genießen.
Doch auch MCS-Erkrankte, die nie NEMs genommen haben und keine nehmen (aufgrund des o. g. Faktums) können sich oftmals noch der Gesundheit zuträglich ernähren:
➤ Sind keine Lebensmittelallergien oder -Unverträglichkeiten festgestellt worden (und ich spreche hier nicht von Tests, die irgendein Arzt durchführt, sondern von Unverträglichkeiten im Selbstversuch), spricht nichts dagegen, über all jene Nahrungsmittel zu verfügen, die der durch die MCS erkrankte Körper verträgt.
Leider stellen sich hier oftmals - sollte die MCS voranschreiten oder sich generell verstärken - mit der Zeit Unverträglichkeiten und Allergien auf Nahrung ein, die nie vorhanden waren. Dies liegt beispielweise an einer veränderten Verarbeitung des jeweiligen Lebensmittels, oder das auch einfach der Anbieter eines sonst gut vertragenen Produktes wechselt. Hier spielen (wie in vorangegangenem Post bereits erwähnt) Anbaugebiete, verwendete Chemikalien, Verpackungen etc. eine sehr große Rolle. Einfach ausgedrückt: von heute auf morgen kann sich eine Unverträglichkeit einstellen, die sich meistens nicht zurückbildet.
Um nun zum Kern der Frage vorzustoßen:
Eine Mangelernährung - vor allem wenn man wie vom genannten 'schlimmst anzunehmenden möglichen Fall' ausgeht - beinhaltet schon allein das Wort: Mangel. Hierzu gibt es nun auch einiges zu beachten:a) das, was für den "normalen" Menschen eine Mangelernährung zur Folge hat, da Giftstoffe (wie z. B. Zusätze, Farbstoffe, Glutamate, Konservierungsmittel etc.) regulär vom Körper - somit von allen Organen - abtransportiert werden und auch der Stoffwechsel in gesundem Maße funktioniert, gilt für den MCS-Erkrankten wiederum nicht. Da keine unverträglichen Stoffe zugeführt werden, verwertet der Körper die tatsächlich enthaltene Kernmaterie der Nahrungsmittel: sprich die in jeglich zugeführtem Lebensmittel enthaltenen Vitamine, Nähr- und Ballaststoffe, Zucker, Salze, Fette/Öle etc. können und werden vom Körper verarbeitet und an den Stellen angereichert, an denen sie benötigt werden. Somit kann auch die Leber zumeist minimale Spuren von Unreinheiten abbauen, ohne dabei überfordert zu werden und den Körper des Erkrankten langfristig zu schwächen.
Übrigens: der Körper des "normalen" Menschen benötigt ebenso viel Zeit, um all die in der Nahrung enthaltenen Gifte und Zusätze abzubauen! Nur spürt es der Gesunde nicht, da keinerlei Beeinträchtigung der Organe vorliegt. Dennoch empfinden auch hier mehr und mehr Menschen einige Symtpome wie z. B. extreme Müdigkeit oder Schlappheit, Kopfschmerzen, Verdauungsbeschwerden, Sodbrennen u. a. Dies lässt natürlich nicht auf MCS schließen (also don't panic), aber doch auf Unverträglichkeiten gegenüber gewissen Zusätzen/Nahrungsmitteln.
b) Eine Mangelernährung tritt dann ein, wenn man sich mit MCS immer noch Lebensmittel einverleibt - wortwörtlich - von denen man weiß, das man besser auf sie verzichten sollte: beispielsweise jegliche Produkte mit Zitronensäure, Nahrungsmittel aus dem Bereich der Fertignahrung (hierzu zählen auch konservierte Lebensmittel aus Dosen, Gläsern und Tetrapaks). Ebenso ist es aufgrund der "maximal-5-Lebensmittel-Verzehr-Möglichkeit" natürlich Tatsache, das auf Dauer Mängel eintreten.
Die meisten Fallbeispiele - von Menschen, mit denen ich mich entweder persönlich ausgetauscht oder auch von denen ich Beiträge gelesen habe - fühlen sich dauerhaft nicht stabil mit dieser Ernährung, können aber auch laut Blutergebnissen keine großen Defizite benennen. Im Gegenteil: wie unter Punkt a) bereits erwähnt zählt eine in gesellschaftlichem Sinne verstandene "reduzierte Ernährungsweise" bei MCS-Erkrankten nicht zu einer "Mangelernährung", und führt somit nicht zwangsläufig zu Mangelerscheinungen noch zu Defiziten, die den Körper zerstören.
c) Eine rapide eintretende MCS löst bei einigen Erkrankten - selbst wenn sie sich ihr Leben lang zuvor ausgeglichen ernährt haben - in sehr kurzer Zeit Mangelerscheinungen aus. Dies können v. a. natürlich der Vitamin D3-Mangel sein (der allerdings bei mittlerweile geschätzt 80% aller Deutschen vorhanden ist), Kalium-/Calciummangel, diverse Vitaminmängel.
Mit dem Verzehr der entsprechend verträglichen Nahrung (!) sind - abgesehen vom Vitamin D3 - alle Defizite zu beheben. Wie erwähnt wird aus dem Lebensmittel das gezogen, was der Körper wirklich benötigt.
Leider sind die Folgeerscheinungen und chronischen Symptomatiken oftmals nicht so einfach abzustellen, wie ein Ernährungsmangel. Diese Folgen spüren wir MCS-Erkrankte nicht nur über Tage oder Wochen, oftmals über Monate oder gar Jahre - und das, obwohl lt. Blutbild die Werte in guten Bereichen sind.
Dieses Thema ist sehr indivuduell zu handhaben - denn auch MCS-Erkrankte können noch dies oder jenes essen, gehen vor die Tür, gehen arbeiten, dekorieren ihre Wohnung, gehen spazieren, haben Haustiere, sind schwanger, haben ein Handy...
Letztendlich trifft auch hier wieder die MCS-Regel-Nr. 1 zu:
Oder anders ausgedrückt: Nur weil es für mich gilt, muss es nicht für dich gelten!
Die Frage ist also nicht so einfach zu beantworten, denn wir sind alle individuell und somit auch das, was ein Körper benötigt, bezieht, aus Nahrung raus zieht, verwertet oder einfach nicht verarbeiten kann!
Hi Sodamaus, vielen herzlichen Dank für Deine ausführliche und aufschlussreiche Antwort. Jetzt bin ich doch etwas schlauer und teilweise beruhigt. Jedoch stelle ich mir das sehr schwer vor, wenn man in seiner Ernährung so extrem eingeschrenkt ist.
AntwortenLöschenIch selber kann auch nicht alles essen bzw. vertragen, da ich Psoriasis von meinem Vater geerbt habe und die falschen Lebensmittel können dann einen Ausbruch hervorrufen. Und wegen meinem Reflux, muss ich auch auf vieles verzichten, sonst werde ich auch umgehend "bestraft" (auch ein Erbe).
Mittlerweile komme ich zum Glück ohne Medikamente aus, da ich mich umgestellt habe.
Was ich schon lange nicht gut vertragen habe, ist Essen im Restaurant. Egal wo ich was gegessen habe, ich hatte immer Bauchweh und mir war häufig schlecht. Und wenn, esse ich auswärts nur Salat, das geht zum Glück.
Gekochtes esse ich nur, was ich selbst gemacht habe.
Aber es ist schon manchmal schade, wenn man Angst hat, etwas "falsches" zu essen. Denn essen ist auch Genuß und sollte auch etwas schönes sein.
Hallo Annette! Bei Zeit werde ich auch darauf antworten, aber nicht als Post. Im Moment habe ich viel andere Arbeit, die erst geplant/durchdacht werden muss, und ich lenke mich im Moment doch lieber mit ein paar Spielen ab. 😊 Ich habe in den letzten Jahren leider oft feststellen müssen, das ich mich eine Zeitlang völlig übernehme und immer mehr und mehr machen möchte, aber keine Möglichkeit finde, diesen Gedanken zu entrinnen. Das endet zu oft in einem Gedankenkarussell, das mir nur weiter schwächt und vor allem aggressiv und wütend macht (aufgrund der Aussichtslosigkeit, alles "im Kopf" erledigen zu wollen, weil dem Körper die Kraft fehlt, dies umzusetzen).
AntwortenLöschenSo viel kann ich zu Deinem Post schon sagen: ich wurde nach der SD-OP monatelang mit Säureblockern (PPIs) zugeballert, aufgrunddessen mein Magenpförtner durchbrach und überhaupt bei mir erst der Reflux entstand. ...
An dieser Stelle kürze ich nur noch ab: ich schreibe dann doch mal einen Beitrag dazu, denn dieses Thema betrifft nur Dich, ja auch mich und sehr viele andere. Danke also an dieser Stelle, das Du mich wieder angeregt hast! 🧡 (Erklärung für den Sinneswandel binnen "Minuten"): Ich habe meine Antwort ins WordPad übertragen, da mir das Antwortfeld hier doch zu popelig ist. Und da wurde aus der kurzen Antwort doch eine sehr lange, und sie wurde immer länger und länger... 😉 Und sie wurde umfangreicher und formeller... und da dachte ich mir: 'Ach, was solls, schreibe ich doch mal wieder einen Beitrag, der informativ sein könnte!' Ich hoffe doch, das das für Dich klar geht, denn das kann ein paar Tage dauern, da ich - wie gesagt - derzeit "Arbeitspause" habe. 😁
Ich danke Dir für Deinen Kommentar, mein Hasi und für Deine Aufmerksamkeit und vor allem dafür, das Du mich wieder mal auf ein Thema stößt, über das es sich lohnt zu schreiben! Weiter so! (P.S.: Versprochene Überraschung in Arbeit, kann aber noch dauern) 💗