Mein Alptraumszenario, das mir seit jeher
nicht mehr aus dem Kopf gegangen ist:
Ungefähr sechs oder sieben Jahre ist es her, da wurde uns hier der Strom abgedreht (das war noch vor meiner Schilddrüsen-OP und vor der MCS). Wir saßen damals so richtig in der Kacke, da wir kein Geld für die Nachzahlung hatten. Aber nicht allein die Nachzahlung war es, die uns finanziell in einen Abgrund stürzte, sondern die generelle Lage, das wir mit zwo Personen nur 1x Stütze bekamen. Mein Lebensgefährte nämlich gar nicht, da er damals zwar zwei Mal festangestellt wurde (bei zwei unterschiedlichen Baumarktketten), aber beide Male um sein Gehalt betrogen worden war. Und auch wenn gerichtlich zu seinen Gunsten entschieden worden war (ihm hätte letztendlich allein von einem Arbeitgeber eine Summe in Höhe von 5.000 € zugestanden), so ging er dennoch leer aus.
Jedenfalls war es gegen Mittag, da gingen hier alle Geräte aus. Natürlich war es Mitte/Ende November, wenn die Temperaturen gerade so richtig kuschelig draußen sind und man sich auch gar nicht den Arsch abfriert. Es tat einen lauten Knall "PENG" ➤ ähnlich dem Geräusch, wenn irgendwo eine Sicherung rausfliegt, nur wesentlich lauter.
Und dann saßen wir da: keine Heizung, kein Herd, kein warmes Wasser, kein Kühlschrank, kein Telefon, kein Tivi, kein PC. Es benötigte insgesamt (von Montag bis Freitag) vier ganze Tage, ehe der Strom wieder floss. In dieser Zeit half uns am zweiten Abend für zwei Stunden am Abend eine
Nachbarin (direkt über uns) aus, damit wir wenigstens kurzzeitig noch schnell heizen konnten (mithilfe eines Radiators). In genau dieser Zeit rief die Tante vom Sozialamt an, und sie war so gar nicht verwundert, das das Telefon ging (*hust*dumme Nuss!*hust*), sondern meinte lediglich, sie versuche mich seit etlichen Stunden telefonisch zu erreichen (dafür 5x Roy!, denn so viel Dummheit...), um mir mitzuteilen, das ich am Mittwoch Morgen direkt zu ihr kommen und etwas unterschreiben solle, damit ein Kredit bewilligt werden und die Nachzahlung für den Stromanbieter direkt erfolgen kann. Dann würde gegen Donnerstag oder Freitag (wie gesagt, es wurde Freitag) der Strom wieder angestellt.
Hier also nachträglich die Roys für die hoch verehrte Frau Ichhackdichtot (Name natürlich geändert):
*dies dann vor allem seit der Zeit meiner chronischen Erkrankungen, die mir nicht mehr gestatten, einfach Knall auf Fall selber alles vor Ort klären zu können, was somit einen ewigen Papierkrieg beinhaltet und sich dementsprechend dank der Bürokratie alles noch weiter in die Länge zieht
Nun ja, gestern war es also wieder soweit. Ich hatte gerade in einem meiner Spiele alles auf eine Stunde getimt, habe in dieser Zeit eine dringend benötigte Sofa-Pause eingelegt, und wollte gerade pünktlich noch ein Mal an "die Kiste" (= den PC), als es plötzlich einen lauten Knall gab und die Glotze ausging. Im ersten Moment dachte ich:
"Scheiße, jetzt hat's die Bildröhre durchgehauen!"
Doch in der nächsten Sekunde sah ich, das auch die TV-Box und der DVD-Player nicht mehr leuchteten, und das Telefon (ja genau, Festnetz) plötzlich blinkte. Aha, Strom weg!
Ich gebe zu, das ich völlig aufgeschmissen war. Selbst wenn ich die Handy-Nummer meines Lebensgefährten gekannt hätte (also auswendig), wie anrufen ohne Telefon? Die furchtbare Angst, die ich vor vielen Jahren schon empfunden hatte, kam augenblicklich auf und beherrschte mich. Meine Gedanken:
"Wenn kein Strom da ist, gibt es keinen Herd. Gibt es keinen Herd, wie soll ich die Kartoffeln kochen, die einzige Nahrung, die ich noch vertrage?" Und weiter: "Was mache ich, wenn es vom Amt ausgeht? Die sperren sich wieder, ich muss zu denen gehen und alles erklären. Die wollen Atteste, dann muss ich zum Arzt. Das ist unmachbar. Ich habe keine Kraft mehr dafür..."
Ich spürte die Verzweiflung binnen weniger Minuten, und nach einer halben Stunde liefen nicht nur die Tränen, sondern ich schien fast zu ersticken vor Angst.
Es ist nicht der Gedanke, das ich ein paar Tage ohne Internet (und somit meine fast einzige Verbindung zur Außenwelt) oder ohne meinen geliebten Fernseher auskommen müsste. Nein. Vor allem der Gedanke daran, was ich essen könnte, wenn das Amt einfach die Zahlung - mal wieder, und mal wieder willkürlich! - eingestellt hätte. Wie sowas passieren kann? Ganz einfach: wenn der Sachbearbeiter wechselt und dieser dann die "alten Sachen" nicht mehr anerkennen will. Jemand eben, der übereifrig ist und alles nochmal neu prüfen will. Es gibt immer Sadisten unter den Bürokraten. Das weiß man, wenn man schon lange aufgrund einer Erkrankung keiner Arbeit mehr nachgehen kann.
Die Angst wurde immer schlimmer. Und mein Lebensgefährte sagte noch (als ich ihn gegen späten Morgen gebeten hatte, an diesem Tag zu Hause zu bleiben - als hätte ich gespürt, das irgendetwas passieren wird!):
"Ich bin so gegen halb sieben, halb acht wieder da."
Das wären dann so um die 5-6 Stunden gewesen. Und sollte es doch um eine Nachzahlung an den Stromanbieter gehen, dann wäre dort um diese Uhrzeit niemand mehr erreichbar... Das Gedankenkarussell des Alptraums wollte nicht aufhören, und mein Kopf drehte sich nur noch. Das Zittern wollte nicht mehr aufhören, und mit einemmal überkam mich wieder diese unendliche Müdigkeit, hervorgerufen durch die Schwäche, die mein Körper ganz plötzlich verströmte.
Ich fühlte mich, als müsste ich jede Sekunde zusammenbrechen. Also ging ich ins Bett.
Es dauerte ungefähr eine Stunde, ehe ich ein wenig dösen konnte. Ich versuchte, die Gedanken zur Seite zu schieben. Ich versuchte, die Angst im Griff zu halten. Dann nickte ich kurz ein. Und plötzlich hörte ich das Rascheln der Müllsäcke, die innen vor der Wohnungstür liegen. Ich sprang aus dem Bett auf, eilte zur Schlafzimmertür, und kaum das ich raustrat hörte ich meinen Lebensgefährten sagen:
"Was ist denn hier los? Geht der Strom nicht mehr?"
"Nein. Der Stromanbieter hat ihn abgestellt."
"Dann gehe ich da mal direkt hin und kläre das."
Gut tat er dran! Ich stand eine halbe Stunde, nachdem er die Wohnung verlassen hatte, aus dem Bett auf und wartete im Wohnzimmer. Ich konnte kaum erwarten zu hören, was denn nun Sache sei. Nach einer guten Stunde hörte ich ihn endlich im Treppenhaus. Ich hörte ebenfalls Gemurmel. Also ging ich zur Wohnungstür - die ich natürlich nicht öffnete - und lauschte kurz, ob es denn auch wirklich seine Stimme war. War es. Also ab, zurück ins Wohnzimmer, und warten. Ein paar Minuten später betrat er die Wohnung, kruschelte im Flur herum, wurschtelte etwas... das dauerte nahezu eine halbe Stunde, ehe er endlich ins Wohnzimmer kam. Tja, die erste logische Vermutung - Nachzahlung - stimmte. Leider hat mein Lebensgefährte verpasst, das eine solche Forderung erfolgt war. Aber er erzählte mir auch direkt, was er im Zuge dessen organisiert hatte:
Er klingelte also beim Nachbarn und sagte:
"Ich brauche Strom!"
Nachbar: "Ich habe kein Geld!" (Diesen Ausspruch hat er sich angewöhnt, weil es hier einen Nachbarn gibt, der immer vollbesoffen gegen Mitte/Ende des Monats klingelt, um sich Knete für Alk zu schnorren.)
Lebensgefährte: "Kein Geld! Strom!"
"Ach so! Bei euch auch?"
Er erzählte dem Lebensgefährten, das vor zwei Wochen bei ihm ebenfalls der Strom abgeklemmt worden war, weil er die Nachzahlung versäumt habe.
"Du kriegst auch was dafür," sagte mein Lebensgefährte.
"Nee, lass mal!"
Und dann ging das Kabelverlegen los, alles so weit verlängert, das mein Wohnzimmer "auf Normalbetrieb" laufen konnte: also meine kleine Schreibtischlampe, meine geliebte Glotze und mein PC.
Seltsamerweise ging die Heizung trotzdem, durch einen kleinen Trick, den mein Lebensgefährte beim Heizungsdrama im Winter (das im Oktober begann und sich mal wieder bis Dezember hinzog) angewandt hatte.
Also fast perfekter Zustand, jedenfalls im Wohnzimmer! Für Licht im Bad sorgt eine kleine Baulampe. Licht benötige ich dort auf jeden Fall, denn ich laufe alle 30-60 Minuten in die Keramikabteilung - seufz.
Somit: mein Nachbar (dessen Namen ich noch immer nicht kenne) ist unschlagbar! Mein Retter in der Not! Und das ja nicht nur heute, sondern generell! So einen Nachbarn wünsche ich jedem, der krank ist oder in eine Notlage kommt! 💗
Da Kurt einzigartig ist, kann ich an sich wieder nur einen Kurt verleihen. Doch diese Aktion meines verständnisvollen Nachbarn - und generell alle seine positiven, rücksichtsvollen Aktionen - benötigen jedoch noch etwas "mehr Kurt", und so bekommt mein Nachbar natürlich noch einen Bonus!
Da ich keinen neuen Post starten möchte zu einem Thema, das sich nicht in engerem Sinne mit MCS/chronischen Erkrankungen beschäftigt, führe ich den Bericht hier im Kommentar fort.
AntwortenLöschenWie ging es weiter?
➤ Montag: Aussage vom Stromanbieter (persönlich und vor Ort):
"Da Sie die Nachzahlung getätigt haben, wird bis 15 Uhr am Dienstag jemand den Strom wieder anstellen."
➤ Dienstag: Aussage vom Stromanbieter (persönlich und vor Ort, anderer Sachbearbeiter):
"Es steht noch eine zweite Zahlung aus. Die erste Forderung haben wir im Dezember an Sie geschickt, die zweite im Januar. Erst wenn beide Nachzahlungsforderungen beglichen sind, wird Ihr Strom wieder angestellt."
➤ Mittwoch: Aussage vom Stromanbieter (persönlich und vor Ort, wieder anderer Sachbearbeiter):
"Sie müssen die zweite Nachzahlung bar einzahlen. Ansonsten können wir den Strom nicht wieder anstellen. Wenn Ihre Zahlung bis 15 Uhr am Donnerstag auf unserem Konto eingegangen ist, werden Sie bis spätestens 17 Uhr Donnerstag wieder Strom haben."
Nachbar, der uns zwei Tage Strom geliehen hat (natürlich hat er dafür ein bissi Knete bekommen):
"Ich bin beruflich die nächsten Tage unterwegs. Deshalb kann ich euch leider nicht mehr weiterhelfen."
Lebensgefährte bei der Nachbarin oben drüber geklingelt (die im Beitrag ebenfalls erwähnt wurde, da sie uns vor einigen Jahren schon mal für einige Stunden ausgeholfen hatte). Diese lieh uns für den Mittwoch auf Donnerstag auch Strom (natürlich ebenfalls gegen eine kleine Entschädigung). 😊
➤ Aussage vom Stromanbieter (persönlich und vor Ort, anderer Sachbearbeiter):
"Sie müssen die Einzahlung bar tätigen, sonst können wir Ihren Strom nicht wieder anstellen."
➤ Lebensgefährte also zur Bank (Sparkasse), Aussage vor Ort:
"Wir tätigen seit einem Jahr keine Bareinzahlungen mehr. Lediglich Überweisungen. Sie müssen zur Postbank, um bar einzahlen zu können."
➤ Lebensgefährte zur Postbank, Aussage vor Ort:
"Wir benötigen Ihren Personalausweis, um eine Bareinzahlung annehmen zu können."
"Reicht der Führerschein?"
"Nein, wir benötigen den Personalausweis."
➤➤ Lebensgefährte mittlerweile so einen Hals , alten Bekannten angerufen, der glücklicherweise auch in Stadtmitte wohnt, ihn Mittags um 13 Uhr aus dem Bett geklingelt, und gesagt, er solle sich mit Perso vor der Postbank einfinden. Bekannter kam, Aussage von Postbank:
"Der Personalausweis ist seit vier Tagen abgelaufen , den kann ich so nicht annehmen."
Lebensgefährte bekam einen immer dickeren Hals vor Wut.
Sachbearbeiterin:
"Aber ich gebe die Daten mal einfach per Hand ein, dann gilt Ihr Personalausweis als noch gültig, und ich kann Ihre Einzahlung annehmen und verbuchen."
Einzahlungsbeleg erhalten, ab zum Stromanbieter.
Lebensgefährte:
"Wie ist es möglich, das binnen vier Wochen zwei Nachzahlungen fällig waren?"
"Wir haben letztes Jahr die Strompreise erhöht. Und im Dezember haben wir nochmal ein wenig erhöht. Da kam dann auf die Nachzahlung nochmal eine Nachzahlung drauf."
Aha! SO wird das also heutzutage gehandhabt! Na vielen Dank auch! Und das so ganz ohne jegliche Mahnungen, einfach mal eine Nachzahlungsrechnung geschickt und daraufhin den Strom abgedreht. Ich habe das Gefühl, das das jeglicher rechtlichen Grundlage entbehrt, und werde mich informieren. (Mal ruckizucki also 332,- €uro berappen, und das für eine zwo-Zimmer Wohnung mit 42 qm. Letztes Jahr Januar haben wir sogar noch eine Nachzahlung von 32 €uronen erhalten... diese Rechnungsweise ist doch sehr merkwürdig!)
Ohne Worte über diese Dreistigkeit! Ich danke meinen Nachbarn, das sie mir diese traumatischen Tage (die natürlich noch immer nachwirken) so bereitwillig und selbstlos erleichtert haben! 💖