Das "Ausblenden" im wahren Leben ist heutzutage doch genauso leicht: man kontaktiert (ob per Mobile/Telefon oder ganz altmodisch per Brief, ob per eMail oder sonstiger Kontaktmöglichkeit) einfach niemanden mehr, von dem man sich belästigt fühlt.
Heutzutage? Es war doch schon immer so: nervt jemand (also rückt einem auf die Pelle) oder spricht über unangenehme Dinge, dann lässt man denjenigen einfach links liegen. Man unterbricht jeglichen Kontakt, meldet sich nicht mehr, geht nicht mehr ans Telefon, beantwortet eben einfach nix mehr, geschweige denn, das man die Person noch über die Gasse hinweg beim Namen rufen würde, um auf sich aufmerksam zu machen.
Was bringt das Ausblenden? Derjenige, der ausblendet, fühlt sich dann einfach wohler. Klar,
bekommt er von den Problemen der betreffenden Person ja nichts mehr mit. Yeah! Endlich frei von einem lästigen Mitmenschen, den man eh nur in die virtuelle Freundesliste aufgenommen hat, um eine höhere Freundeszahl zu erreichen.
Na, von mir aus! Und um das Kind beim Namen zu nennen: ich muss auch nicht unbedingt endlos viele Leute in meiner Freundesliste auf Facebook haben. Die meisten Leute, die ich dort in der Liste habe, spielen die selben Spiele. Die muss ich auch nicht im Abo haben, sie haben zu 95% reine Spiel-Accounts. Wenn ich sie ausblende entgeht mir nichts. Doch es gibt auch die anderen 5%, diejenigen nämlich, die ich a) persönlich kenne und mit denen ich lange befreundet bin, und b) diejenigen, die ich über das Internet aufgrund gemeinsamer Interessen kennenlernte und die nun zu meinen realen Freunden zählen - auch wenn ich sie noch nie gesehen habe.
Will ich diese paar Prozent wirklich noch ausblenden? Will ich alles von ihnen gepostete, jeden geteilten Gedanken, jedes ehrliche, menschliche Gefühl einfach nicht mehr sehen? All die Stimmungen, ob Hochs oder Tiefs, einfach abtun? Ich will das nicht.
Schnell weiterscrollen kann ich immer noch, wenn es mir an einigen Tagen einfach nicht gut geht, wenn ich mich instabil fühle oder mir so viele Gedanken durch den Kopf gehen, das ich nicht mehr weiß, wo Vorne und Hinten ist. Japp. Das gibt es durchaus. Doch an anderen Tagen, an denen ich mich wohl, gut oder stabil fühle, da WILL ich von meinen Freunden etwas Persönliches lesen. Sicher will ich nicht nur ein doofes Meme oder ein blödes Katzenvideo. Nerv! Nein, reine Spruchkarten-Teiler blende auch ich aus. Aber zwischen all diesen Menschen, all diesen "Kätzchen-Video-und-nur-Meme-Teilern" gibt es Menschen, die immer mal wieder etwas Persönliches schreiben. Die sich die Mühe machen, zu einer Spruchkarte selber noch etwas zu schreiben: zum Beispiel warum es sie besonders bewegt, an was es sie erinnert, was sie dabei empfinden... Und sollte mir das gerade nicht behagen, dann spare ich mir jeglichen Kommentar (außer es ist rechtsradikaler Natur, klipp und klar dann kann ich nicht an mich halten!).
Das nur von meiner Seite. Doch unverschämt und vor allem dreist finde ich Kommentare - egal ob unter einem Beitrag oder Meme über Erkrankungen - die lauten wie:
"Wie kannst du dich nur immer darüber beschweren, wie krank du bist?"
"Es nervt, wenn du ständig nur über die Krankheit schreibst, das machen andere auch nicht."
"Es betrifft immer die selben Gruppen von Kranken, die darüber schreiben, und das nervt."
"Ich bin selber chronisch krank, aber ich schreibe nicht ständig darüber. Es nervt, das du ständig darüber schreibst. Aber naja, das sind immer die selben Leute, die sowas posten."
"Wenn du so krank bist, wie du sagst, wie kannst du dich immer darüber beschweren?"
"Wenn ich so krank wäre, wie du behauptest zu sein, dann hätte ich anderes zu tun als das immer zu posten."
"Das du so über deine Krankheit schreibst ist schon exhibitionistisch."
"Du willst dich nur interessant machen."
"Du definierst dich nur über deine Krankheit. Das nervt."
"Es gibt so viele andere Krankheiten, aber da schreiben die Leute auch nicht ständig drüber."
etc. etc. etc.
Blende aus, wenn du willst. Entabonniere wenn du willst. Oder noch besser: kick mich aus deiner Liste! Nur bitte spare dir diese respektlosen, beleidigenden, überflüssigen und herz- wie auch hirnlosen Kommentare unter Beiträgen von chronisch Erkrankten!
Ein Mensch, der 24/7 Leid am eigenen Körper erfährt, der von Familie, Freunden, Bekannten gemieden wird, der in Isolation und Einsamkeit zu versinken droht, darf was nicht? Dich damit behelligen, dich aufmerksam machen auf seine Erkrankung? Warum darf ich meine Wut und Traurigkeit nicht rauslassen? Weil es dir unangenehm ist? Mach dir doch mal die Mühe und unterhalte dich mit chronisch erkrankten Menschen! Du wirst sehen, das in allen von uns so viel mehr steckt, als lediglich das Gesprächsthema "Krankheit". Auch wir lieben jemanden, auch wir lieben etwas, auch wir haben Träume, Wünsche, Hoffnungen, Utopien. Auch wir haben Hobbys. Auch wir hatten ein Leben vor der Erkrankung. Auch wir denken, handeln, fühlen. Auf unsere Weise. Und selbst wenn wir über unsere Erkrankung sprechen: fällt dir dann gleich ein Zacken aus der Krone, Respekt und Mitgefühl zu zeigen? Du erwartest das - wir auch! Also höre uns zu oder blende die Realität weiterhin aus. Auf Ignoranten ist noch nie jemand angewiesen gewesen!
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