Donnerstag, 7. März 2019

Eigen-Betitelung: Ich bin KEIN MCSler!

(... oder bin ich in 'nem Sportclub oder was?)


Im Internet bin ich in MCS-Foren und -Gruppen oftmals auf die Bezeichnung "MCS'ler" gestoßen. So bezeichnen manche an MCS Erkrankte sich selber, und äußern dies natürlich im sozialen Leben (also auch außerhalb des Interwebs) anderen gegenüber. Beispielsatz:
"Ich leide unter einer Chemikalienunverträglichkeit, ich bin ein MCS'ler."
Oder:
"Ich bin ja ein MCS'ler..."

Seit einigen Jahren schon stößt mir diese (Eigen-)Benennung mehr als sauer auf. Warum ist einfach erklärt, an dieser Stelle am besten vom lieben Erklärmeer, damit ich persönlich nicht aus der Rolle falle (Erklärung folgt auch noch, seid versichtert 😉).

Du bist in einem Sportclub. Dort werden Vereine gerne mit den Abkürzungen benannt, wie z. B. "FCB'ler" (als Bezeichnung für einen Fan vom Fußballverein FC Bayern-München). Oder du bist ein "Fohlen" - angelehnt an das Maskottchen von Borussia Mönchengladbach. Oder du bist im TSV
Wiesbaden. Vielleicht nennst du dich "TSV'ler" oder im generellen Turnsport-Verein "TUS'ler".
Jeder, der die unterschiedlichen Vereine kennt (gleich welche Sportart, ob nun Basketball oder American Football, ob Fußball, Tischtennis oder Turnen, ob Schwimm- oder Tanzverein), verbindet im Kopf ein Bild damit: Lebensfreude, Bewegung, Teamarbeit, Spaß und Gemeinschaft. Und noch vieles mehr natürlich!


Die Bezeichnung "MCS'ler" ist aus mehreren Gründen unangebracht:

➤ 1. einen an Krebs erkrankten Menschen nennt man nicht "Krebsler", und einen Menschen im Rollstuhl nicht "Rolli".
  Die Zeiten, in denen man körperlich gehandicapte Menschen als "Behindis", oder z. B. Menschen mit Down-Syndrom als "Mongos" bezeichnete sind vorbei (oder sollten es)! Auch Betitelungen wie "Spasti" für Menschen mit Epilepsie sind tabu! "Taubstumm" ist ebenfalls ein no-go, denn es heißt "gehörlos" oder "hörgeschädigt". ❗ Denn die Benennung sollte einen klaren Sachverhalt der (chronischen) Erkrankung/Behinderung darstellen  - somit gerade für die Gesellschaft/Außenwelt einfach und präzise benannt werden - auch um sich fortzubilden und zu informieren 🙂; ❗

➤ 2. entsteht eine Assoziation zu einer Tätigkeit, die natürlich mit einer seltenen/chronischen Erkrankung so gar nichts gemeinsam hat. Hier werden also Bezüge gezogen, die auf "eine falsche Fährte" locken, und somit das gesellschaftliche Bild vermitteln, das "alles nicht sooo schlimm ist", "es irgendwann vorbeigeht" oder sogar die Erkrankung nicht ernst zu nehmen ist;

➤ 3. sich als MCS-Erkrankter selber "MCS'ler" zu nennen ist kontraproduktiv aus den oben angeführten Gründen. Es wird das Bild vermittelt, das der Erkrankte
a) seine Krankheit selber nicht ernst nimmt,
b) es keinen Grund für Außenstehende gibt, sich näher zu informieren, weil sie
c) sich damit nicht beschäftigen müssen wegen Punkt (a)


Eine korrekte Bezeichnung für eine Erkrankung ist immer diejenige, die weder diskriminiert, noch verletzt. "Behinderter" ist schon lange kein politisch korrekter Begriff mehr, denn er reduziert den Betroffenen auf seine Erkrankung. Sozusagen als gäbe es da sonst nichts mehr an diesem Menschen, außer eben nur der Krankheit.
 In den 1980er Jahren wurden Menschen, die eine Brille benötigten, oft mit "Brillenschlange" tituliert. In der Natur ein faszinierendes Tier, doch die Reduzierung des Menschen mit Brille auf diesen Begriff war schon eine Form des Mobbings, des "ich will dich fertig machen". Diese inkorrekten und negativen Namensgebungen führen dazu, das sich ein Erkrankter noch schlechter fühlt. Denn: nicht nur der Körper leidet, auch die Psyche geht auf Dauer kaputt!

Bitte achtet darauf, wie ihr euch selber betitelt! Respekt für Erkrankte kann nur entstehen, wenn ihr selber Respekt euch gegenüber empfindet! Niemand kann vermitteln, das es sich um eine schwerwiegende Erkrankung handelt, wenn ihr euch selber "klein macht" und eure Erkrankung herunterspielt!


Persönlich (denn das Erklärmeer hat jetzt Feierabend 😉):
  Wenn ich in einem (Fußball-)Club wäre, der den Namen "MCS Sowieso" trägt, dann könnte ich mich MCS'ler nennen. So aber bin ich ein (an) MCS Erkrankter, oder ein Mensch der unter der Umwelterkrankung Multiple Chemikalien Sensitivität leidet. Es ist schwerer und anstrengender zu schreiben, aber die Zeit muss man sich nehmen!

  Es ist wichtig für uns, das wir gesehen werden! 
Es ist wichtig für uns, das wir gehört werden! 
Es ist wichtig und unabdingbar, das wir ernst genommen werden!




Persönliche Worte zum Bild (Karte/Meme):

  als ich am Abend auf der Suche nach einem geeigneten Bild war (auf Pixabay) stieß ich auf das verwendete Foto. Ich war dermaßen übwältigt, das mein Herz freudig höher schlug! Denn ich bin seit gut 20 Jahren Fan des VFL Bochum, und kann an dieser Stelle - somit passend zum Thema - nur sagen: ich bin VFL'ler! (Kein MCS'ler!)

4 Kommentare:

  1. Mir wurde von einer MCS-Seite zugetragen, der Artikel sei "zu lang" (auf eine Anfrage, ob man den LINK auf entsprechender Seite posten möchte). Und das davon ab viele Bekannte des Seitenbetreibers (wie ebenso erselbst) sich als "MCSler" bezeichnen. Ich möchte an dieser Stelle anmerken, das mein Beitrag a) weder besonders lang ist, und genau b) dahingehend ausgerichtet ist, ein Umdenken in Gang zu bringen - wie man unter den Erläuterungen des 'Erklärmeers' kurz, knapp und simpel nachlesen kann.

    Ich möchte erneut darauf hinweisen: es geht vornehmlich um die Eigendarstellung ! Denn wie soll ein Umdenken in der Gesellschaft erfolgen, wie kann man Respekt und Toleranz einfordern, wenn man sich selber tituliert, als wäre die Bezeichnung (somit die korrekte Begriffsbenutzung) der eigenen Erkrankung völlig schnurze?

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  2. Ignoranz kennt Keine Krankheit! Nicht mal die Eigene worum man Kämpfen muss um Gehört zu werden, machen sich die Menschen noch Kleiner als sie sind!Wie Traurig ist das den wenn man sich Eigentlich Gegenseitig helfen möchte? Oder kommt es da nur auf Selbst Wahrnehmung hin erst mal ich ?

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    1. Du hast schon recht: die Selbstwahrnehmung hat damit sehr viel zu tun. Da viele Menschen mit seltenen/chronischen Erkrankungen (aber noch mehr mit bekannten Krankheiten) nicht diagnostiziert werden. Hierfür fehlt dann der ärztliche/medizinische Rat, für eine "fachkräftige" Hilfe und Unterstützung, also jemand, der einen kompetent "an die Hand nimmt" und an den man sich in medizinischen Fragen wenden kann.
      Die Eigen-Darstellung ist dann wieder das andere Thema: wenn man von Seitens der Ärzteschaft immer (wieder) allein gelassen wird, für unlgaubwürdig, paranoid oder sogar für schizophren erklärt wird: wie soll auf Dauer bei einer chronischen/seltenen Erkrankung noch Kraft, Stärke und Selbstbewusstsein vorhanden sein, um sich selber aussagekräftig "betiteln" zu können?

      Viele Menschen - womöglich sogar die meisten! - machen sich generell "kleiner" als sie sind. Dies betrifft nicht nur uns Erkrankte, sondern auch Menschen, die Opfer von Missbrauch, von (Cyber-)Mobbing und/oder häuslicher Gewalt werden. Man benennt sich immerzu kleiner mit all den Jahren, man wird fast schon gleichgültig sich selbst gegenüber.
      Es spielt keine Rolle, woher die Ursache kommt, wichtig ist - und darum geht es in meinem Beitrag - das man sich stärker machen muss, damit die Umwelt, die Außenwelt, die Gesellschaft begreift, das es nicht einfach "ein Schnupfen ist, der mal vorbeigeht". Denn bei all dem, das einem einem ein Trauma zufügt - dazu zählen auch chronische Erkrankungen - darf man nichts abmildern oder als unwichtig erklären! So also auch nicht die Betitelung der eigenen Erkrankung.

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  3. Anbei: eine andere Webseite auf Facebook hat meinen Beitrag begrüßend verlinkt! Der Schwerpunkt hier liegt auf seltenen Erkrankungen generell. Es gibt also nicht nur eine generell ablehnende Haltung. 🙂

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